Regeln und Sanktionen

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Man findet Material und Anregungen zum Weiterdenken ja oft in den seltsamsten Kontexten. Insbesondere dann, wenn man sowieso gerade über ein Thema nachdenkt, fällt einem die ein oder andere Preziose ganz unverhofft in den Schoß. Diesmal in der ZEIT und in einem Artikel über den Besuch von Nachbarn beim Rapper Bushido und das sich daraus ergebende Gespräch. Der Artikel1 ist ansonsten auch sehr unterhaltsam, mir fiel in diesem Zusammenhang aber das bemerkenswerte Verhältnis von Anis Ferchichi (bürgerlicher Name von Bushido) zu gesetzlichen Regeln auf.

Eine Nachbarin merkt dazu im Artikel an “Ich glaube, es macht die Menschen wütend, wenn sie das Gefühl haben, es gelten für alle dieselben Regeln, nur für einen nicht” und führt dazu ein eigenes Beispiel (es geht um Baugenehmigungen) an. Bushido antwortet darauf: “Moment! Ich bin aus diesem Spiel nicht raus. Für mich gelten dieselben Regeln – ich schere mich nur weniger um sie. Ich bin der Typ: Ich mach einfach erst mal. Und wenn’s blöd läuft, zahl ich halt die Strafe. Vielleicht überlegen Sie (Anm: Er meint die Nachbarin mit ihrem Problem bei einer Baugenehmigung) beim nächsten Mal auch, ob Sie lieber eine Strafe zahlen wollen.”

Also kurz gesagt: Er findet es ok, Regeln zu verletzen, wenn man bereit ist, die mit der Regelverletzung verbundenen Sanktionen zu tragen. Was ihn nicht davon abhält, einen Anwalt zur Abwehr zu beschäftigen.

Das ist zwar einerseits eine reifere Haltung als diejenige vieler Fahrer von schnellen PKW, die, wenn sie wegen überhöhter Geschwindigkeit erwischt wurden und eine Strafe aufgebrummt bekommen, sich über die aus ihrer Sicht ungerechtfertigte Strafe aufregen und endlos darüber diskutieren können, dass es schon eine Unverschämtheit und hinterlistig sei, ausgerechnet an der Stelle, an der sie geblitzt wurden, eine Radarfalle aufzustellen und dass die zulässige Höchstgeschwindigkeit dort aus ihrer Sicht viel zu niedrig festgelegt sei.

Andererseits kann von Verfahrensgerechtigkeit aber keine Rede sein, weil man sich die Regelübertretungen auch leisten können muss. Im Artikel geht es um ein Bußgeld von 35.000€, das Bushido wegen des ungenehmigten Abrisses einer denkmalgeschützten Toreinfahrt bezahlen musste. Da Bußgelder nicht abhängig sind von der Höhe des Einkommens bzw. des Vermögens desjenigen, gegen den/die sie verhängt werden, kann sich der/die eine (in diesem Fall Bushido) das einfach leisten, während es einen weniger Wohlhabenden sehr viel mehr schmerzt.


  1. Blasberg, A., & McMinn, L. (2018, 22. März). Komm rein, Digga. DIE ZEIT, S. 62-63.