Roboterarm bereitet Kaffee
Ein Roboterarm bereitet Kaffee: “Der Roboter – eigentlich nur ein Roboter-Arm – stellt Becher in eine Kaffeemaschine und holt sie heraus oder zapft kalte Getränke aus einem Hahn.”, beschreibt dies Rachel Metz im Magazin Technology Review1 – das ist eigentlich schon alles. Die Interaktion mit dem Roboter-Barista erfolgt über einen Touchscreen vor Ort und – remote – über eine Smartphone-App.
Ist das die Zukunft des Kaffee-Ausschanks?
Die von Metz befragten Benutzer sind anscheinend geteilter Meinung: Einerseits scheint es interessanter zu sein, dem Roboterarm bei der Arbeit zuzusehen als einem menschlichen Barista – Cafe X hat natürlich noch einen gewissen Neuigkeitswert oder es erzeugt ein ähnliches Interesse, das (ausschließlich?) Männer für die Arbeitsvorgänge auf jeder Art von Baustellen zeigen – andererseits wird die Interaktion mit einem menschlichen Gegenüber vermisst.
Ansehen kann man sich den künstlichen Barista in zwei Youtube-Videos 2 3. Einstweilen scheinen die Fähigkeiten des Next-Generation-Barista des Start-ups Cafe X aus San Francisco allerdings noch beschränkt zu sein, jedenfalls wenn man nur den Roboterarm betrachtet. Das gesamte automatisierte Cafe X besteht aus den Zubereitungsautomaten für den Kaffee und den Milchschaum, dem Kaltegetränkspender, den Touchscreens, den Ausgabeschächten, aus denen die Kunden die bestellten Getränke entnehmen können, und natürlich dem Roboterarm. Und offensichtlich arbeitet das automatische Cafe X sehr schnell.
Update 24.03.2018
Kaffee- bzw. Getränkeautomaten gibt es schon länger und wenn man nur vom Zweck her denkt – die Zubereitung und der Verkauf von Heiß- und Kaltgetränken – dann ist die Verwendung eines Roboters auch nicht zwingend. Das ginge auch alles ohne, zumal die Fähigkeiten des Roboterarms, wie schon oben geschrieben, sehr begrenzt erscheinen. Er besitzt nur eine Greifvorrichtung, mit der er die Pappbecher fasst. Der Roboterarm kann also einen Pappbecher hin- und hertransportieren und unter die verschiedenen Getränkeausgaben bzw. auf den Ausgabeschacht zu stellen, er schwenkt den Becher, um irgendetwas mit dem Milchschaum anzustellen, und er kann nach der Zubereitung “winken”. Das ist alles. Wo ist die Innovation?
Man begreift es nur, wenn man sich klar macht, dass es nicht darum geht, einen Cappucino zu verkaufen – dafür reichte auch ein Getränkeautomat ohne Roboter, in dem sich das ganze technische Innenleben vor dem Betrachter hinter der Fassade des Automaten verbirgt. Verkauft wird das Erlebnis der Kaffeezubereitung durch den Roboter inkl. des gesamten Aufbaus mit den chromglänzenden Oberflächen der Zubereitungsmaschinen, dem Innenraum, in dem der Roboterarm agiert, den Ausgabeschächten mit ihrem Aufzug, der den Pappbecher nach unten in die Ausgabeöffnung bewegt, und den Touchscreens bzw. der Smartphone-App für die Bestellung. Der ganze, vorher mit menschlichen Interaktionen und Handlungen gespickte, Ablauf von der mündlichen Bestellung, über die Zubereitung durch den Barista bis zur Übergabe des fertigen Getränkes und der Bezahlung wird nun durch eine durchgehend digitalisierte Inszenierung ersetzt. Die eigentliche Innovation besteht also nicht in der automatisisierten Zubereitung von Kaffee, sondern aus der Transformation eines vorher in weiten Teilen analogen Erlebnisses inkl. der zwischenmenschlichen Interaktionen in ein weitgehend digitales Erlebnis, bei dem nur der Kunde weiterhin analog ist.
Nehmen wir für ein Gedankenexperiment an, dass die Qualität des produzierten Kaffees in beiden Fällen identisch ist. Dann besteht der Unterschied wirklich “nur” in der Produktionsweise dieses Endproduktes und der jeweiligen Inszenierung bzw. Darbietung der Produktion für die Endkunden. “Nur” bedeutet: die Unterschiede sind in Wahrheit beträchtlich. Ich deute sie im Folgenden nur an, und komme vielleicht später auf eine weitere Ausarbeitung zurück:
- Statt eines Baristas werden Techniker zur Wartung benötigt.
- Wenn kein Barista mehr benötigt wird, muss man sich auch nicht organisatorisch um urlaubs- und krankheitsbedingte Fehlzeiten kümmern
- Die Qualität der Darbietung und des produzierten Endproduktes ist immer die gleiche; sie schwankt nicht mit den Fähigkeiten des jeweiligen Baristas und seiner Tagesform.
- Die Wertschöpfung sieht anders aus.
Ein solcherart automatisiertes Café skaliert: Man kann es beliebig oft in immer der gleichen Art installieren und betreiben. Bei gastronomischen Ketten ist das, auch im Zeitalter der Systemgastronomie, aufwendiger, weil organisatorisch viel mehr zu führen und zu koordinieren ist.
In meinen Blog-Beitrag Einfach mal machen empfahl ich Start-ups, “vom Ende her zu denken”. Dieser Empfehlung in Bezug auf Cafe X zu folgen, bedeutet, dass sich deren Macher fragen, was es heißt, wenn sie mit ihrem Produkt am Markt erfolgreich sind. Was bedeutet dies beispielsweise für unsere Kultur? Verarmt sie möglicherweise, weil es zu weniger sozialen Interaktionen mit einem menschlichen Barista (mit all seinen Eigenheiten und möglicherweise Skurrilitäten) kommt? Oder welche sozialen Auswirkungen könnten mit dem Produkterfolg verbunden sein? Werden leidenschaftliche Baristas mit Freude an ihrem Job durch Roboterarme verdrängt oder müssen sie eine geringere Entlohnung für ihre Arbeit akzeptieren?
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Metz, R. (2018, 15. März). Kaffee vom Roboter-Arm. Abgerufen 23. März, 2018, von heise.de/tr/artikel/Kaffee-vom-Roboter-Arm-3992404.html ↩
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TechCrunch. (2017, 30. Januar). Cafe X opens a robotic coffee shop in SF. Abgerufen 23. März, 2018, von youtu.be/2PRsAGIAnPg ↩
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Cafe X Technologies, Inc.. (2018, 22. Februar). Cafe X Robotic Coffeebar 2.0. Abgerufen 23. März, 2018, von youtu.be/J4dyrZnV-98 ↩