Gesellschaft und Staat

“Der Staat ist die Sphäre geschützter Freiheit, auch der Freiheit des Denkens und Meinens, und gesicherter Gleichheit - gerade gegen die sozialen Bedingtheiten, die Ungleichheiten und Zwänge der Gesellschaft.” schreibt 1 der Historiker Jens Nordalm in der ZEIT und unterscheidet dann zwischen Gesellschaftsbürger und Staatsbürger.

Wichtig erscheint mir sein Hinweis auf das Gemeinwohl und sein normativer Gedanke, dass der Mensch fähig sei, “anders zu handeln, als es sein Milieu, seine unmittelbaren Triebe, Egoismen und andere Bedingtheiten und Verwerflichkeiten nahelegen.”

Er ist nicht der Meinung, dass dies einfach sei, und spricht selbst von einem “Freiheitidealismus”, der eine “Selbstbefreiung zum überraschenden Handeln” für möglich hält.

Er hält die “Orientierung am Gemeinwohl als eine mindestens mitredende empathische Begleitung der öffentlichen Dinge” für eine mögliche “Antwort auf die Frage, worin denn das Gemeinsame bestehen könnte, das wir für eine […] gelingende Gesellschaft überhaupt brauchen.”

Ein Gedanke von mir dazu:

Dieser Ansatz lässt sich zwanglos von der Gesellschaft auf Organisationen und Unternehmen übertragen. Auch dort könnte eine Orientierung am Wohl aller Mitglieder einer Organisation dabei helfen, über den Tellerrand der eigenen Befindlichkeit, über die eigenen Interessen – oft materieller Natur oder der Sicherung der eigenen Machtposition dienend – und die spezifische Perspektive der eigenen Position in der Hierarchie und der eigenen Rolle hinaus zu gehen, und anders (“überraschend”) zu handeln, als es die vorgegebenen Randbedingungen eigentlich erwarten ließen. Eine solche Orientierung – am Stakeholder Value (für alle) statt nur am Shareholder Value oder ausschließlich am eigenen Interesse – würde m.E. sehr zu einer gelingenden Organisation beitragen.

Die Unterscheidung zwischen Staats- und Gesellschaftsbürger findet in der Organisation ihre Entsprechung zwischen formaler Rolle und dem informellen Handeln.

Nebenbei bemerkt:

Der Titel des Artikels “Das Unbehagen an der Soziologie” ist zwar eine schöne Anspielung an Siegmund Freuds “Das Unbehagen in der Kultur” 2, aber zusammen mit der Platzierung im Feuilleton der ZEIT sorgt er eher dafür, dass der Artikel überlesen wird; eigentlich schade.


  1. Nordalm, J. (2018, 5. April). Das Unbehagen an der Soziologie. DIE ZEIT, S. 47. 

  2. Freud, S. (1930). Das Unbehagen in der Kultur. Abgerufen 20. April, 2018, von gutenberg.spiegel.de/buch/das-unbehagen-in-der-kultur-922/1