Schnelles und langsames Denken /2: Kognitive Leichtigkeit

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Teil 2 meiner Notizen zu Daniel Kahnemans Buch „Schnelles Denken, Langsames Denken“ 1 behandelt den Begriff der kognitiven Leichtigkeit.


Cognitive Ease = Kognitive Leichtigkeit

Geringe kognitive Leichtigkeit: Es existiert ein Problem, welches eine verstärkte Mobilisierung von System 2 erfordert.

Hohe kognitive Leichtigkeit: Alles scheint gut zu laufen. Es existieren keine Bedrohungen, keine wichtigen Neuigkeiten, somit auch keine Notwendigkeit, die Aufmerksamkeit neu auszurichten oder sich stärker anzustrengen – System 2 wird gerade nicht benötigt.

Die kognitive Beanspruchung (Cognitive Strain) wird sowohl vom laufenden kognitiven Arbeitsaufwand als auch vom Vorhandensein unbefriedigter Bedürfnisse beeinflusst.

Kognitive Leichtigkeit wird gefördert durch

  • Wiederholte Erfahrung
  • Klare Darstellung
  • Geprimte Vorstellung
  • Gute Laune

Kognitive Leichtigkeit als Zustand

  • fühlt sich vertraut an
  • erscheint wahr
  • fühlt sich gut an
  • erscheint mühelos

Wie man überzeugende Mitteilungen schreibt

  • Mitteilung so lesbar wie möglich gestalten
  • Kontrast zwischen Buchstaben und Hintergrund hoch
  • Nichts kompliziert ausdrücken, was man auch mit einfacheren Worten beschreiben kann
  • Gebundene Sprache verwenden (ja, tatsächlich: Reimen hilft!)
  • Bei Quellenangaben möglichst eine Quelle mit leicht auszusprechendem Namen wählen

All dies unterstützt die kognitive Leichtigkeit – und „lullt“ System 2 ein.

Wie man kritisches Denken (z.B. für Entscheidungen) fördern kann

Um System 2 bewusst zu aktivieren, kann man die kognitive Beanspruchung bei der Aufnahme von Informationen gezielt erhöhen. Man kann z.B. die Schrift schwer lesbar, mit geringem Kontrast, auf schlechtem Papier gestalten. Es hilft auch, den zu beurteilenden Inhalt in einer Fremdsprache zu formulieren.

Dies erhöht die kognitive Beanspruchung, verringert die kognitive Leichtigkeit – und ruft nach System 2.

Mere-Exposure-Effekt

Das reine Wiederholen von Wörtern, Bildern und Symbolen (auch solche ohne jegliche Bedeutung) reicht aus, um eine positive Einstellung dazu hervorzurufen.

Dies lässt sich genetisch-biologisch erklären: Wenn etwas das erste Mal auftaucht, kann es gefährlich oder auch harmlos sein – beim ersten Mal weiß man das noch nicht. Wenn etwas wiederholt erscheint, ohne dass etwas Negatives passiert, stellt es keine Bedrohung dar, ist also positiv.

Vertrautheit ist daher nicht leicht von der Wahrheit zu unterscheiden: Häufiges Wiederholen erzeugt Vertrautheit – häufig damit auch die Illusion von Wahrheit. Nicht umsonst ist die ständige Wiederholung völlig aus der Luft gegriffener und durch nichts belegter bzw. schon längst widerlegter Behauptungen bei Populisten eine beliebte (und wirkungsvolle) Methode, um „gefühlte Fakten” und eine neue „Wahrheit“ in die Welt zu setzen. Noch erschreckender ist aber, dass es für den Mere-Exposure-Effekt anscheinend nicht einmal nötig ist, die gesamte Aussage zu wiederholen: Es reicht, wenn ein Teilausdruck einer Aussage vertraut ist, um der gesamten Aussage durch diese Vertrautheit zu mehr Glaubwürdigkeit zu verhelfen.

Intuition

Wenn wir uns gut fühlen, haben wir einen guten Kontakt zu unserer Intuition (System 1). Wenn wir uns schlecht fühlen, deprimiert oder sehr belastet sind, versagt sie.

Positive Stimmung, Intuition, Kreativität, Leichtgläubigkeit, und die zunehmende Beanspruchung von System 1 bilden ein Cluster.

Auf der anderen Seite bilden Niedergeschlagenheit, Vigilanz, Argwohn, analytische Herangehensweise und vermehrte Anstrengung zusammen mit System 2 ein weiteres Cluster.

Vigilanz = Daueraufmerksamkeit; zur Definition siehe: de.wikipedia.org/wiki/Vigilanz


  1. Kahneman, D., & Schmidt, T. (2012). Schnelles Denken, langsames Denken. München: Siedler Verlag.